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Haftung des Sachverständigen bei Ankaufgutachten


Schleswig-Holsteinisches OLG: Es überspannt die an einen Sachverständigen für Bootsbau zu stellenden Anforderungen, ihm die Haftung für das Nichtvorhandensein sämtlicher Mängel aufzuerlegen. Eine Feuchtemessung an Holzrümpfen ist nicht allgemein geschuldet.

Wir empfehlen Kaufinteressenten beim Kauf eines gebrauchten Wasserfahrzeugs grundsätzlich immer, ein Sachverständigengutachten über das ins Auge gefasste Schiff einzuholen. Damit stehen wir nicht allein. Erst im vergangenen Jahr haben sich diverse Publikationen mit dem Thema beschäftigt (vgl. z.B. YACHT 13/2020).

Hintergrund dieser Empfehlung ist zum einen natürlich, konkrete und belastbare Informationen für die Kaufentscheidung zu erhalten, die in der Regel auch wesentlich für die Bestimmung eines angemessenen Preises sind. Für die Festlegung der Versicherungssumme beim Abschluss einer Yacht-Versicherung ist ein Ankaufgutachten ebenfalls hilfreich.

Aus anwaltlicher Sicht ist zum anderen aber auch ganz erheblich, dass der Sachverständige dem Auftraggeber haftet, wenn er den Gutachtervertrag schlecht erfüllt hat. Der Auftraggeber will sich auf das Gutachten verlassen können. Für den Fall, dass der Sachverständige den Vertrag schlecht erfüllt und Mängel am Schiff nicht erkannt hat, ist er seinem Auftraggeber zum Schadensersatz verpflichtet. Nach hiesigem Verständnis kommt es dabei nicht einmal darauf an, ob der Sachverständige sorgfaltswidrig gehandelt hat. Kann oder will der Sachverständige die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Feststellungen nicht gewährleisten, muss er dem Auftraggeber das nach unserer Überzeugung ausdrücklich mitteilen. Es würde sich dann allerdings die Frage stellen, warum man überhaupt noch das Geld für ein Ankaufgutachten in die Hand nehmen sollte.

In einem von uns über viele Jahre hinweg ausgefochtenen Streit kam der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Beschluss vom 21.09.2020 - 7 U 3/20 - zu der Auffassung, dass der Sachverständige  nicht für unerkannt gebliebene Mängel haftet, auch wenn er den Auftraggeber nicht auf die Möglichkeit solcher Mängel oder auf unterbliebene Untersuchungen hingewiesen hat. Mehr noch: Selbst trotz konkreter Anhaltpunkte für weitere Mängel (strittig) waren dem Sachverständigen keine weiteren Nachforschungen oder Hinweise abzuverlangen.

Der Fall:

Der Auftraggeber interessierte sich für eine gebrauchte Segelyacht Sommerfeld Odin und beauftragte einen öffentlich bestellten und vereidigten Bootsbausachverständigen. Der Sachverständige stellte diverse Mängel fest, insbesondere vier durchfeuchtete, rotte Bodenwrangen. Dabei öffnete er weder Verkleidungen, noch nahm er Feuchtemessungen vor. Nach Taxierung der Reparaturkosten bestimmte der Sachverständige den Marktwert und riet dem Auftraggeber zum Kauf. Der kaufte daraufhin die Yacht.

Für die erforderlichen Reparaturen vermittelte der Sachverständige den Auftraggeber an eine Werft, deren Mitarbeiter er war. In der Folge, auch aufgrund vom Sachverständigen empfohlener falscher Reparaturwege, entstand dem Auftraggeber ein Vielfaches der prognostizierten Reparaturkosten, die schließlich auch den Kaufpreis sehr deutlich überstiegen. Bei den Arbeiten stellte sich heraus, dass die Feuchteschäden viel weiter gingen als vom Sachverständigen angenommen. Insbesondere waren nicht nur die Wrangen betroffen, sondern auch der Kielbalken.

Der von uns vertretene Auftraggeber ließ deshalb ein selbständiges Beweisverfahren durchführen und erhob im Anschluss Klage zum Landgericht Flensburg. Ohne sich hinreichend mit dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Gutachtervertrags zu beschäftigen, wies das Landgericht die Klage ab. Denn der Gerichtsgutachter hatte angegeben, dass eine Feuchtemessung nicht üblich sei. Das Landgericht ließ sich davon überzeugen, obwohl der Kläger diverse anderslautende Stellungnahmen anderer renommierter Sachverständiger vorgelegt hatte. Schwere Fehler des Gerichtssachverständigen ließ das Landgericht ebenfalls unberücksichtigt. So hatte der Gerichtssachverständige unter anderem angenommen, der Kielbalken sei durch eine Epoxidharzschicht von den Wrangen abgegrenzt. Tatsächlich aber verlief die Epoxy-Schicht über den Wrangen, so dass zwischen Wrangen und Balken gerade keine schützende Schicht vorhanden war.

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein. Das OLG holte nun zwar die im erstinstanzlichen Urteil fehlenden Erwägungen zum Vertragsinhalt nach, kam aber zu dem Ergebnis:

"Eine äußere Feuchtigkeitsmessung war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am hölzernen Bootskörper weder allgemein geschuldet, noch war sie aufgrund anderer Umstände indiziert."

Diese Auffassung des OLG ist zurückzuführen auf die Feststellungen des Gerichtsachverständigen, wonach feuchte Wrangen nicht auf einen feuchten Kiel hindeuten (!) und wonach eine Feuchtemessung allgemein nicht angezeigt war. Nachdem das OLG Mängel an der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht erkennen mochte und trotz aller Einwände die falschen Feststellungen des Gerichtssachverständigen nicht hinterfragte, konnte es zu diesem Punkt in der Konsequenz auch nicht anders entscheiden.

Zu der insoweit noch streitentscheidenden Frage, ob ein Sachverständiger mit dem Ankaufgutachten nicht ohnehin die Feststellung sämtlicher erheblicher Mängel schuldet, weil genau das schließlich Zweck des Ankaufgutachtens ist, führte das OLG aus:

"Der Vertrag der Parteien ist nicht (...) dahingehend auszulegen, dass der Beklagte durch sein Gutachten eine Garantie dafür abgibt, dass nur die im Wertgutachten verzeichneten Mängel vorhanden sind. Der Gutachter ist u.a. verpflichtet, sein Gutachten gewissenhaft zu erstellen und es nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Hierbei muss er fachliche Kriterien befolgen und seine Befunde insbesondere auch nach einem wissenschaftlich abgesicherten Vorgehen erheben. Es würde aber die Anforderungen überspannen, ihm die Haftung für das Nichtvorhandensein sämtlicher, ggf. auch versteckter Mängel, aufzuerlegen."

Und weiter:

"Der Kläger musste vom Beklagten auch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass seine Begutachtung ohne Feuchtigkeitsmessungen durchgeführt wurde, denn der Kläger war bei der Überprüfung der Yacht persönlich anwesend und konnte somit aus eigener Beobachtung wahrnehmen, dass der Beklagte die Überprüfung ohne weitere Messungen oder Materialöffnungen veranlasst hatte."

Das spricht, so das OLG,

"(...) dafür, dass er auf Grundlage der vertraglichen Abrede mit dem Beklagten solche vertiefenden Untersuchungen auch aufgrund des geschlossenen Vertrags nicht erwartet hat."

Was lässt sich daraus nun für die Praxis ableiten? Nach Auffassung des Berufungssenats soll ein bei der Besichtigung (das meint das OLG mit "Überprüfung") anwesender Auftraggeber offenbar wissen, welche Maßnahmen der Sachverständige ergreifen muss, um seinem Auftrag entsprechend alle Mängel an der Yacht festzustellen. Der selbst regelmäßig ja gerade nicht fachkundige Auftraggeber müsste dann von sich aus aktiv werden und den Sachverständigen anleiten, wenn dieser gebotene Maßnahmen zur Mängelaufklärung unterlässt.

Das ist nicht nur lebensfremd. Es wird damit auch nicht im Ansatz den Interessenlagen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzbedürftigkeit Rechnung getragen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof aus prozessualen Gründen zurückgenommen wurde.

 

07.02.2021, A. Kujawa