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Regulierung von Unfällen auf dem Wasser - Besonderheiten


Besonderheiten bei der Regulierung von Unfällen mit Beteiligung von Schiffen, Yachten und sonstigen Wasserfahrzeugen im Vergleich zu Unfällen im Straßenverkehr*

Für Unfälle auf dem Wasser, insbesondere auf Wasserstraßen, gelten einige spezielle Regelungen, die den meisten Sportschiffern jedenfalls in Grundzügen bekannt sind. Weniger bekannt ist, was alles nicht gilt. Weil Wassersportler in der Regel auch am Straßenverkehr teilnehmen und oft auch bereits Unfallerfahrung haben, haben die meisten Skipper durchaus konkrete Vorstellungen darüber, wie Unfälle abgewickelt werden, welche Ansprüche geltend gemacht werden können, etc. Viele im Straßenverkehr selbstverständliche gesetzliche Regeln und von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze sind auf Schiffsunfälle aber nicht anwendbar. Daraus ergeben sich für die Abwicklung von Unfallschäden erhebliche Unterschiede:

 

Keine Gefährdungshaftung

Im Straßenverkehr haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs aufgrund der dem Fahrzeug innewohnenden Betriebsgefahr, ohne dass es dazu eines Verschuldens bedarf. Das ergibt sich aus § 7 Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz  (StVG). Diese spezialgesetzliche Regelung ist für Wasserfahrzeuge nicht anwendbar. Es gibt auch keine allgemeine oder speziell für Wasserfahrzeuge geltende vergleichbare Regelung. So verlangt z.B. die entsprechende Norm des § 3 Absatz 1 Binnenschiffahrtsgesetz (BinSchG) zur Eignerhaftung ausdrücklich ein Verschulden seitens der Crew (oder des Lotsen).

Der gesetzgeberische Verzicht auf eine Gefährdungshaftung hat erhebliche Auswirkungen. Zur Verdeutlichung ein Fall aus unserer Praxis:

Ein Motorfrachtschiff überläuft in der Fahrrinne einer Binnenwasserstraße ein Sportboot. Zum Glück entsteht nur Sachschaden. Das Sportboot wird vollständig zerstört. Der Eigner begehrt Schadensersatz von der Reederei, weil er zumindest von einem erheblichen Mitverschulden des Berufsschiffers ausgeht.

Grundsätzlich haben Anspruchsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch zu beweisen. Kann allerdings bei Unfällen im Straßenverkehr das Unfallgeschehen nicht aufgeklärt werden, haften die Halter der beteiligten Fahrzeuge in der Regel nach der jeweiligen Betriebsgefahr. Bei zwei Pkw also jeweils zu 50 Prozent. Bei überwiegender Betriebsgefahr eines Fahrzeuges (z.B. Lkw - Pkw) haftet der Halter des Fahrzeugs mit der höheren Betriebsgefahr mit entsprechend höherer Quote.

Ganz anders in unserem Fall: Mangels Gefährdungshaftung muss der Eigner des Sportboots eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung an Bord des Motorschiffs beweisen. Gelingt ihm das nicht, geht er leer aus.

Es ist also entscheidend, dass zumindest ein Mitverschulden des Unfallgegners festgestellt wird. Dabei und auch bei der Bestimmung der Verschuldensquote kann eine deutlich überwiegende Betriebsgefahr in die Erwägungen der Gerichte einfließen.

 

Keine allgemeine Versicherungspflicht

Für die Halter von Kraftfahrzeugen gilt die Versicherungspflicht nach dem Pflichtversicherungsgesetz (PflVG). Neben Fahrer und Halter des unfallverursachenden Kraftfahrzeugs kann auch der Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch genommen werden.

Für Bootseigner ist eine Versicherung dagegen nicht verpflichtend. Denn in Deutschland gibt es eine entsprechende Regelung für Wasserfahrzeuge nicht**. Daraus ergeben sich erhebliche Nachteile für den Geschädigten eines Bootsunfalls:

Im schlimmsten Fall besteht mangels gesetzlicher Pflicht überhaupt keine Haftpflichtversicherung. Der Geschädigte kann sich dann nur an die Schädiger bzw. Eigner halten, die eher ungern aus eigener Tasche Schadensersatz leisten, sofern sie dazu überhaupt in der Lage sind. Das Insolvenzrisiko ist hier ungleich höher, vor allem bei Personenschäden.

Aber auch wenn eine Haftpflichtversicherung besteht, hat es der Anspruchsteller bedeutend schwerer als bei einem Unfall im Straßenverkehr. Anders als bei der Pflichtversicherung besteht kein Direktanspruch gegen den Versicherer. Der Haftpflichtversicherer muss die Schäden nur auf Grundlage der vertraglichen Beziehung zu seinem Versicherungsnehmer ersetzen. Das heißt:

  • Regelmäßig muss der Haftpflichtversicherer nach den Versicherungsbedingungen nur zahlen, soweit der Schädiger rechtskräftig zu Schadensersatzleistungen verurteilt wurde.
  • Der Versicherer wird nur dann leisten, wenn sich nach seiner Beurteilung ein vom Versicherungsschutz umfasstes Risiko im versicherten Zeitraum verwirklicht hat.
  • Nur soweit der Versicherer seinem Vertragspartner keine Einwendungen entgegen halten kann, wird er zahlen. Der Versicherer kann zum Beispiel die Zahlung (teilweise) verweigern, wenn der Schädiger mit Prämien in Verzug war, oder Vertragsobliegenheiten verletzt hat. Auch bei einer vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls muss der Versicherer nicht zahlen.
  • Der Versicherer muss maximal die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme bezahlen.

 

In der Praxis bedeutet das oft, dass der Geschädigte erst den Schädiger erfolgreich verklagen muss (Haftpflichtprozess) und nach Pfändung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung auch noch gegen den Versicherer prozessieren muss (Deckungsprozess).

Hat der Unfallgegner nicht nur den Unfall verschuldet, sondern sich zudem gegenüber seinem Versicherer vertragswidrig verhalten, so dass der Versicherer deshalb nicht leisten muss, verliert der Geschädigte unter Umständen den Deckungsprozess und hat das Nachsehen.

 

Nutzungsausfallentschädigung

Der Eigentümer eines bei einem Unfall beschädigten Kraftfahrzeugs hat unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung.

Bei beschädigten Sportbooten besteht ein solcher Anspruch regelmäßig nicht, weil es sich dabei nach ständiger Rechtsprechung um reine Luxusgüter handelt. Auch der Ersatz von Chartergebühren für eine Ersatzyacht ist nur in wenigen Konstellationen denkbar, weil dem Eigner aufgrund seiner Schadensminderungspflichten grundsätzlich zuzumuten sein wird, den Schaden nicht zu vergrößern, indem er eine Ersatzyacht, also ein Luxusobjekt, chartert.

Tatsächlich und unvermeidbar entstandene Schäden sind nach den allgemeinen Regeln zu ersetzen. Das können z.B. belegbare Charterausfälle während der Reparatur von Charterbooten sein. Hier ist allerdings oft die Beweisführung schwierig.

 

Kostenpauschale

Dem Geschädigten eines Unfalls sind seine Aufwendungen für z.B. Fahrten zum Anwalt, Telefonie und Korrespondenz mit Polizei, Versicherern, etc zu ersetzen. Für Verkehrsunfälle ist ein ortsüblicher Pauschalbetrag anerkannt, der z.B. in Berlin 20,00 € beträgt, anderenorts deutlich höher sein kann. Dem Autor wurde kürzlich bei einer Vergleichsverhandlung vor dem Kammergericht (dem Berliner Obergericht) durch das Gericht eröffnet, dass die Pauschale bei Bootsunfällen nicht geschuldet sei, weil es sich hier nicht um Massenereignisse handelt. Bislang ist in unserer anwaltlichen Praxis aber noch nicht vorgekommen, dass über die Pauschale gestritten wurde. Gegebenenfalls wären die tatsächlichen Kosten zu belegen und dann eben der konkrete Betrag geltend zu machen.

 

Sachverständigengutachten

Rechtlich bestehen zwar keine Unterschiede zwischen Sachverständigengutachten zu Unfällen im Straßenverkehr und solchen zu Unfällen auf dem Wasser.

Die Auseinandersetzung mit bootsbauerischen und Schifffahrtsgutachten stellt erfahrungsgemäß aber sehr viel höhere Anforderungen an die Prozessführung. Während Verkehrsgutachten weitgehend standartisiert sind, kaum offensichtliche Qualitätsgefälle aufweisen, und in der Regel auch bei den Feststellungen im Wesentlichen kongruent sind, liegt die Sache bei maritimen Gutachten völlig anders. Z.B. liegen Reparaturkostengutachten zur selben Sache nicht selten um ganz erhebliche Beträge auseinander. Insbesondere wenn dem Sachverständigen Vorgutachten nicht bekannt sind, sind erfahrungsgemäß auch Abweichungen über 100 % möglich. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Beispielsweise kann für einen 30 Jahre alten Jollenkreuzer kein detailliertes Werkstatthandbuch abgerufen werden und auch keine präzise Teilepreisliste. Reparaturwege müssen durch den Sachverständigen oft erst selbst erarbeitet werden. Einzelfragen, wie z.B. die bei Autos sehr einfach zu beantwortende Frage der Reparaturwürdigkeit können den Sachverständigen bei einer Yacht vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Die Bandbreite der Schiffskonstruktionen und Werkstoffe ist nahezu unüberschaubar. Verschiedene Reviere und bearbeitete Schiffe führen zu ganz unterschiedlichen individuellen Auffassungen und Erfahrungen bei Sachverständigen wie auch bei Werften und sonstigen Reparaturbetrieben. In einem aktuellen Fall streiten wir uns z.B. darüber, ob bei einem Holzrumpf eine Feuchtemessung hätte durchgeführt werden müssen oder nicht, was verschiedene Sachverständige völlig unterschiedlich beurteilen.

In der Konsequenz müssen sachverständige Feststellungen in maritimen Gutachten grundsätzlich sehr viel gründlicher geprüft, hinterfragt und gegebenenfalls auch durch Gegengutachten angegriffen und widerlegt werden, um zum Ziel zu kommen.

 

19.07.2018, A. Kujawa

* Der Beitrag behandelt ausschließlich deutsches Recht.

**In anderen  Staaten gibt es eine Versicherungspflicht, z.B. in Italien und neuerdings in Dänemark.