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AG Charlottenburg zu Kollision mit historischem Segelschiff


AG Charlottenburg als Schifffahrtsgericht zur Beweislastverteilung bei Kollision mit historischem Segelschiff

Das Amtsgericht Charlottenburg  hatte als das für Berlin zuständige Binnenschifffahrtsgericht kürzlich über Schadensersatzansprüche eines von uns vertretenen Seglers gegen den Eigner und den Skipper des auf Berliner und Brandenburgischen Gewässern oft zu bestaunenden historischen Segelschiffs ROYAL LOUISE zu befinden.

Die ROYAL LOUISE motorte auf Gegenkurs zu der unter Segel fahrenden Etap 24i des Klägers.

Unter zwischen den Parteien streitigen Umständen kollidierten beide Wasserfahrzeuge mit Teilen ihres Riggs.

Bevor Beweis über den konkreten Hergang erhoben wurde, waren durch das Gericht die jeweiligen Verhaltenspflichten und damit verbunden die Beweislastverteilung zu klären.

Wie jeder Inhaber eines Sportbootsführerscheins weiß, sind unter Motor fahrende Kleinfahrzeuge gegenüber segelnden Kleinfahrzeugen im Binnenrevier ausweichpflichtig. Das gilt aber eben grundsätzlich nur für Kleinfahrzeuge untereinander (§ 6.02a Nr. 1 BinSchStrO).

Der Kläger argumentierte, dass es sich bei der  ROYAL LOUISE um ein Kleinfahrzeug im Sinne der Binnenschifffahrtsordnung (BinSchStrO) handelt, weil das Schiff ohne Ruder und Bugspriet eine Länge von unter 20 m aufweist.

Im Termin vor dem Amtsgericht wurde die Frage ausführlich erörtert, insbesondere auch, ob hier etwas anderes gelten könnte, weil die ROYAL LOUISE ein Fahrzeug sei, das zur Beförderung von mehr als 12 Personen zugelassen sei.

Mit Hinweisbeschluss vom 28.04.2023 (Az. 233 C 35/23 BSch) führte das Gericht dazu aus:

"1. Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage werden die Beklagten darauf hingewiesen, dass zwar auch ein Sportboot (§ 1.01 Nr. 20 BinSchStrO) ein Fahrzeug sein kann, dass zur Beförderung von mehr als 12 Fahrgästen zugelassen ist (§ 1.01 Nr. 14 b) BinSchStrO) (vgl. VG Berlin, Urteil vom 29. Mai 2020 – 10 K 21/20 –, Rn. 40, juris). Die Beklagten haben jedoch nicht dargelegt, dass die Royal Louise ein Fahrzeug ist, dass zur Beförderung von mehr als 12 Fahrgästen zugelassen ist. Die Beklagten haben sich auch nicht darauf berufen, dass nicht § 6.02a Nr. 1 BinSchStrO (Fahrregeln für Kleinfahrzeuge untereinander), sondern § 6.02 Nr. 1 b) BinSchStrO Anwendung findet. Die Beklagten werden weiterhin darauf hingewiesen, dass gemäß § 3.15 BinSchStrO ein Fahrzeug, das zur Beförderung von mehr als zwölf Fahrgästen zugelassen ist und dessen Schiffskörper eine größte Länge von weniger als 20,00 m aufweist, in Fahrt bei Tag einen gelben Doppelkegel an einer geeigneten Stelle und so hoch, dass er von allen Seiten sichtbar ist, führen muss (§ 3.15 BinSchStrO). Sollte die Royal Louise ein Fahrzeug sein, das zur Beförderung von mehr als zwölf Fahrgästen zugelassen ist, ist nicht dargelegt, dass sie einen gelben Doppelkegel gesetzt hatte.

 2. Nach derzeitigem Sachstand musste die mit Maschinenantrieb fahrende Royal Louise daher grundsätzlich gemäß § 6.02a Nr. 1 BinSchStrO dem Segelboot des Klägers ausweichen, so dass die Beklagten die Beweislast dafür tragen, dass der Kläger im unmittelbaren Nahbereich zur Royal Louise ca. 3 - 4 Sekunden vor der Kollision stark vom Wind abgefallen ist und seinen Kurs damit völlig unerwartet geändert hat und dass ohne das unvorhersehbare Abfallen beide Yachten ohne Havarie Steuerbord an Steuerbord aneinander vorbeigefahren wären."

In Folge der daraufhin durchgeführten Beweisaufnahme einigten die Parteien sich interessengerecht. Dem klagenden Segler wurde sein Schaden ganz überwiegend ersetzt.

Auch wenn in der Sache aufgrund der erzielten Einigung kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, wird man davon auszugehen haben, dass die ROYAL LOUISE (wie auch  andere Schiffe vergleichbarer Größe) als Kleinfahrzeug zu behandeln ist, für das die selben Regeln gelten wie für jedes Sportboot.

Allerdings kann das auch anders sein. Insbesondere auf einen gesetzten gelben Doppelkegel sollten Sportskipper bei Begegnungen mit solchen Schiffen achten.

3.10.2023, A. Kujawa