Yachtrecht - Yachtversicherung - Sportbootkaskoversicherung für Segelboot - Allgefahrenversicherung - Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Versicherungsnehmer als Einhandsegler

Das Kammergericht Berlin hatte im Jahr 2006 auf Grundlage der AVB Sportbootkasko 1997 im Rahmen der Allgefahrenversicherung über die Frage zu entscheiden, ob die Beschädigung einer Yacht im Sturm durch den Versicherungsnehmer grob fahrlässig herbeigeführt wurde und dadurch die Yacht-Kaskoversicherung von der Leistung frei geworden war.

Im zu Grunde liegenden Fall war der Kläger mit seiner Neun - Meter - Kielyacht nordöstlich von Rügen in einen Sturm geraten, in welchem die Yacht havarierte. Er begehrte von der beklagten Versicherung die Erstattung der Schäden in Höhe von 26.029,50 EUR, die aufgrund der Havarie seiner Segelyacht und anlässlich der Yachtbergung entstanden waren.

Das Landgericht Berlin hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 23.987,44 EUR zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen.

Hiergegen legte die beklagte Versicherung Berufung zum Kammergericht Berlin ein.

Wegen der Komplexität des zu Grunde liegenden Sachverhaltes wird im Folgenden das Urteil des 6. Zivilsenates des Kammergerichts Berlin vom 18.07.2006 im Volltext zur Verfügung gestellt.

Leitsatz:

Zur Frage der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch VN als "Einhandsegler" (Freizeitsegler) einer seetüchtigen Kielyacht mit Selbststeuerungsanlage ohne Funkgerät bei nächtlicher Überquerung der Ostsee mit GPS-Gerät trotz vorhergesagter Schauer und Gewitterböen. Für die Sorgfaltspflichten auf See kommt neben den Verhaltenspflichten aufgrund von Verkehrsvorschriften - die für den Fall von Kollisionen von Bedeutung sind - den seemännischen Sorgfaltspflichten besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um nicht geschriebene Vorsichtsmaßregeln, die sich aufgrund Seemannsbrauchs herausgebildet haben oder wegen besonderer Umstände des Falles erforderlich sind.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Februar 2005 - 7 O 9/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, sofern nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer beträgt 23.987,44 EUR.

Gründe

A.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten die aus der Anlage K 1 ersichtliche Sportbootkasko-versicherung für das Segelboot E... des Herstellers A... , der die aus der Anlage K 2 ersichtlichen Bedingungen AVB Sportbootkasko 1997 zugrunde lagen. Der Geltungsbereich der Versicherung umfasste u.a. die Ostsee. Die Versicherung deckte alle Gefahren im Umfang der Ziff. 3 der AVB Sportbootkasko 1997 ab. Bei dem Boot handelte es sich um eine Kielyacht einer Länge von ca. 9 m (über alles) mit einem Innenbordmotor einer Stärke von 8 kw, einer Segelfläche von ca. 48 qm am Wind, einer Hochtakelung mit Alu-Mast und Saling sowie einer Pinnen-steuerung und Rollreffanlage.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Schäden, die aufgrund der Havarie der Segelyacht nordöstlich von Rügen am 10./11. Juli 2002 und der Folgen der Yachtbergung entstanden sind. Er lief am 10. Juli 2002 gegen 17.00 Uhr als Alleinsegler - sogenannter Einhandsegler - mit dem versicherten Boot gegen 17.00 Uhr aus dem Hafen von Swinemünde aus, um die Ostsee in Richtung Ystad in Südschweden (Distanz ca. 90 Seemeilen = 167 km) zu überqueren. Die Überfahrt hätte bei guter Fahrt ca. 13 Stunden in Anspruch genommen. Sie führte an der Ostküste Rügens vorbei. Der Kläger hatte auf seiner Reise ein Mobilfunktelefon mitgeführt. Ein Ukw-Funkgerät lag nicht angeschlossen verpackt in der Backskiste, eine Ukw-Antenne war nicht vorhanden. Über ein Sprechfunkzeugnis - dessen Erfordernis für die Berechtigung zur Benutzung des Gerätes zum damaligen Zeitpunkt zwischen den Parteien streitig ist - verfügte der Kläger nicht. Der Kläger navigierte mit Hilfe eines GPS-Gerätes, das nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2005 am Schott montiert war. Außerdem war das Schiff mit einer Selbststeuerungsanlage ausgestattet, die der Kläger wegen des starken Seeganges während der Fahrt ausgeklinkt hatte.

Der im Jahre 1934 geborene Kläger war zum Zeitpunkt der Havarie seit mehreren Jahrzehnten Sportbootsegler mit Fahrten auf der See und hatte an verschiedenen Regatten teilgenommen (Schriftsatz vom 27.9.2005 S. 4 f., BdII/19 d. A.). Im Jahre 1969 hatte er einen schwedischen Führerschein für Segel- und Motorboote erworben (Anlagen K11, Übersetzung K 21 Bd.I/225), des weiteren verfügt er über die als Anlagen K 12 bis 17 vorgelegten Ausbildungsurkunden und Zeugnisse schwedischer Seglerverbände.

Vor seinem Auslaufen hatte der Kläger Wetterinformationen eingeholt, die für den Nachmittag Windstärken von 5 - 6 Beaufort (Bft) aus West-Nord-West und ab Mitternacht von 6 - 7 Bft aus derselben Richtung prognostiziert hatten. Wie seine persönliche Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11. Oktober 2005 ergeben hat und zwischen den Parteien unstreitig ist, hatte er kurz vor dem Auslaufen den im Hafen ausgehängten Wetterbericht in polnischer Sprache gelesen, wobei er der polnischen Sprache nicht mächtig ist, jedoch die Angaben der Windstärke - und auch der Windrichtung - habe entnehmen können. Außerdem ließ er sich von seinem Stegnachbarn einen zwei Tage alten Ausdruck eines schriftlichen Seewetterberichtes für die südliche Ostsee geben (Anlage des Sitzungsprotokolls vom 11.10.2005, Bd. II Bl. 27 d.A.). Der Kläger rechnete damit, dass das Wetter ein wenig schlechter werden würde, weil das Barometer an diesem Tag um 3 - 4 Striche gefallen war.

Nach dem Seewetterbericht des Deutschen Wetterdienstes Hamburg vom 10. Juli 2002, 05.37 MESZ waren für die südliche Ostsee bis Mitternacht Winde aus Ost bis Südost der Stärke 5 bis 6, See 1 bis 1,5 m vorhergesagt und für die Zeit bis zum Mittag des 11. Juli 2002 aus Südost der Stärke 6, südwest- bis westdrehend, Schauer und Gewitterböen. Nach der Vorhersage von 17.30 Uhr MESZ waren bis "morgen früh" Winde aus "Südost 4 bis 5, zunehmend 6, morgen früh westdrehend, Gewitter-böen, diesig, See 1 bis 1,5 Meter" vorhergesagt, die Aussichten bis "morgen abend" lauteten "West 6, langsam abnehmend 5". Wegen der weiteren Einzelheiten der Vorhersagen wird auf die Anlagen 3 und 4 des Gutachtens F... (Anlage K 6 der Klageschrift) verwiesen. Außerdem hatte der Deutsche Wetterdienst Warnungen für die Deutsche Ostseeküste herausgegeben. Diejenige von 8.36 Uhr MESZ warnte u.a. vor Gewitterböen von 8 Bft östlich Rügen aus südlichen Richtungen; eine solche von 21.17 Uhr MESZ in diesem Bereich vor Winden aus West der Stärke 6 mit Gewitterböen von 10 Bft. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Anlage 5 des Gutachtens F... verwiesen. Über den Deutschlandfunk wurden am 10. Juli 2002 um 9.00, 17.00 und 22.00 Uhr für die Deutsche Ostseeküste östlich Rügen Warnungen ausgestrahlt, um 9.00 Uhr wurde vor Gewitterböen von 8 Bft aus südlichen Richtungen gewarnt, um 17.00 Uhr wurden Winde der Stärke Ost bis Südost 6, dabei Böen von 8 Bft gemeldet (Anlage B 5, Bd. I Bl. 36 d.A.).

Zum Zeitpunkt des Auslaufens des Klägers herrschten tatsächlich Winde aus südöstlichen Richtungen, die im Laufe des Abends zunahmen. Wetterinformationen im Laufe der Fahrt holte der Kläger nicht ein. Zwischen 19.00 und 20.00 Uhr passierte er den Hafen Greifswalde Oie in einem Abstand von ca. 5 Sm, gegen 22.00 Uhr den Hafen Saßnitz in einem Abstand von mindestens 8 Sm.

Im Laufe des Abends wurden die Wetterverhältnisse ausweislich des amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes vom 22.10.2002 (Anlage K 3 der Klageschrift) in der westlichen und südlichen Ostsee durch die Passage einer markanten Luftmassengrenze bestimmt. Eine Kaltfront mit heftigen Gewittern erstreckte sich gegen 22.00 Uhr von dem nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern nach Seeland und schwenkte langsam nordostwärts. Sie lag um 23.00 Uhr über Rügen und überquerte ausweislich des Gutachtens während der folgenden Stunde die Position 54 Grad 42,55 N/14 Grad 02,02 E (es handelt sich dabei um eine Position, die ausweislich der Anlage 2 des Gutachtens F... vom 10.08.2002, der Anlage I seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.04.2003 und ausweislich des gerichtlichen Gutachtens zwischen der wahrscheinlichen Position der Havarie und der späteren Bergungsposition mit 54 Grad 48,2 N 14 Grad 11,8 E liegt). Im Bereich dieser Position hatte nach dem weiteren Inhalt des meteorologischen Gutachtens bis gegen 22.00 Uhr der östliche bis ostsüdöstliche Wind auf Windstärke 5 Bft zugenommen. Er steigerte sich aus dieser Richtung bis zur Frontpassage auf Windstärke bis 6 - 7 Bft. Mit dem Durchzug der Kaltfront fand eine rasche Drehung des Windes auf Südwest und West-Süd-West statt. Hierbei traten heftige Gewitterböen auf. An der Wetterstation auf Kap Arkona wurden orkanartige Böen bis Windstärke 11 Bft gemessen. Auf der Greifswalder Oie traten Böen bis Windstärke 10 Bft auf. Der Mittelwind aus Südwest erreichte dabei vorübergehend 8 Bft. Nach 24.00 Uhr nahm der westsüdwestliche Wind auf 6 Bft ab.

Die mit dem Durchzug der Kaltfront verbundenen orkanartigen Böen brachten das Boot des Klägers der bis zu diesem Zeitpunkt unter vollen Segeln fuhr, gegen 23.00 Uhr ungefähr auf der Höhe von Kap Arkona, zu einer derart starken seitlichen Neigung (sogenannte Krängung), dass es ihm nicht mehr gelang, die Segel zu reffen oder einzuholen. Nach dem Inhalt seines Berichtes, den der Kläger mit seinem Dankesschreiben an die Mannschaft der Fähre Rügen an die Reederei richtete (Rettung auf See - Anlage 1 des Gutachtens F... und Anlage B 4 der Klageerwiderung), hielt sich der Kläger in den folgenden 50 Minuten mit beiden Händen auf dem Bridgedeck fest, um nicht von Bord geschleudert zu werden. Nachdem der Wind etwas nachgelassen hatte und er völlig erschöpft gewesen sei, habe er die Schoten - nicht die Fallen, wie bei der Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 9. Juni 2006 von ihm klargestellt - gelöst, um die Krängung des Bootes etwas zu verringern, was jedoch auch zur Folge gehabt habe, dass - da das Boot unsteuerbar geworden sei - bei jedem Fall in die Wellentäler das Rigg überstrapaziert worden sei. In den folgenden Stunden habe er sich weitgehend in der Pantry festgehalten und in gewissen Abständen in das Cockpit begeben, um nach passierenden Schiffen Ausschau zu halten und durch das Abbrennen von Notfackeln auf sich aufmerksam zu machen. Der von Westen kommende Wind habe das Boot auf die sogenannte Adlerbank - zwischen Rügen und Bornholm gelegen - zugetrieben. Am Morgen des 11. Juli 2002 sei nach einem Knall und Bruch der Wanten der obere Teil des Mastes abgebrochen. Das abgebrochene Teil habe noch an gebrochenen Wanten und Fallen am Mast gehangen und in der Folge umhergeschlagen, die Segel seien zerrissen und hätten hinter dem Boot hergetrieben. Gegen Mittag wurde der Kläger schließlich von der Besatzung der Fähre Rügen nach Abschuss seiner letzten Notfackel entdeckt und geborgen. Wegen der Einzelheiten des Berichtes wird auf die Anlage 2 des Gutachtens F... verwiesen. Die havarierte Yacht wurde durch ein weiteres Fahrzeug in den Hafen von Saßnitz geschleppt. Dabei sind weitere Schäden entstanden. Vom Nothafen Rügen wurde die Yacht schließlich zur Werft nach Wiek (Rügen) überführt.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 23.08.2002 (Anlage K 10) eine Regulierung des geltend gemachten Schadens mit der Begründung ab, der Kläger habe den Versicherungsfall durch besonders schwerwiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt grob fahrlässig herbeigeführt. Sie stützte sich dabei auf das Gutachten des von ihr mit der Schadensermittlung beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. F... vom 10. August 2002 (Anlage K 6), der die Auffassung vertrat, dass es zu dem Schaden aufgrund "grenzenloser Selbstüberschätzung" des Klägers und "Nichtbeachtung der realen Gegebenheiten" gekommen sei. Bei sachkundiger Auswertung der Wettermeldungen und -warnungen habe der Skipper die drohende Gefahr schweren Wetters erkennen und rechtzeitig geeignete Vorkehrungen treffen müssen, um eine sichere Fahrt zu gewährleisten. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, verschiedene Häfen anzulaufen. Bei Fortsetzung der Fahrt sei mindeste Sicherheitsmaßnahme die Einholung des Großsegels und das Reffen der Genua auf Minimalfläche gewesen, um so beigedreht unter Motorkraft den herannahenden Sturm abzuwettern. Die Angaben des Klägers über Windstärken von 14 bis 15 Bft. und eine Krängung von 80 ° oder 85° seien nicht nachvollziehbar. Anhand des Wasserstandes des Bilgenwassers könne die Krängung maximal 30 bis 35 ° betragen haben; die Gegenstände in den sogen. Schwalbennestern hätten bei einer Krängung von 80° herausfallen müssen, sich später aber noch dort befunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 7 bis 9 des Gutachtens Bezug genommen.

Der Kläger hat mit seiner Klage eine Entschädigungsleistung in Höhe von 26.029,50 EUR nebst Zinsen geltend gemacht und behauptet, zu dem Wetterumschwung mit Windstärken bis zu 12 Bft sei es plötzlich gekommen. Der Wind habe unvermittelt auf Südwest bis West-Süd-West gedreht und von mittlerer Stärke bis zur Orkanstärke so schnell zugenommen, dass er nicht mehr habe reagieren können. Bereits eine der ersten Böen habe zu einer starken Krängung des Bootes geführt. Bis dahin habe nichts darauf hingedeutet, was ihn zu vorsorglichen Maßnahmen hätte veranlassen müssen. Der unmittelbar vor seinem Auslaufen eingeholte Wetterbericht habe kein Hindernis für die geplante Überfahrt erkennen lassen. Zur Einholung von Wetterprognosen nach dem Ablegen habe danach kein Anlass bestanden.

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und sich - u. a. gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen F... und dessen ergänzende Stellungnahme vom 29.04.2003 (Anlage B 5 der Klageerwiderung) - auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles, hilfsweise auf einen Verstoß gegen die Rettungsobliegenheit berufen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe angesichts der schon am 10. Juli prognostizierten Wetterverhältnisse die geplante Überfahrt schon nicht, jedenfalls nicht alleine, antreten dürfen. Darüber hinaus sei er verpflichtet gewesen, auch während der Überfahrt laufend Wetterprognosen bzw. Warnungen einzuholen. Entsprechend hätte er seine Überfahrt vorzeitig abbrechen und entweder den Hafen Greifswalder Oie oder den Hafen Saßnitz anlaufen müssen. Jedenfalls hätte er aber bei Herannahen des Unwetters die Segel einholen bzw. reffen und das Unwetter in der von dem Sachverständigen F... beschriebenen Weise abwettern müssen, wodurch der Schaden jedenfalls vermindert worden wäre. Außerdem hat sie den Anspruch der Höhe nach bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort in Bezug genommenen Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat über die streitige Schadenshöhe Beweis erhoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 23.987,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz vom 1. September 2002 bis zum 29. April 2003 und in Höhe von 9,65 % seit dem 30. April 2003 zu zahlen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht sei aufgrund fehlerhafter Tatsachenfeststellung zu dem Ergebnis gekommen, dass sie nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles leistungsfrei sei. Das Landgericht habe mangels eigener Sachkunde hierüber nicht ohne sachverständige Hilfe entscheiden dürfen. Bei Einholung eines Gutachtens hätten sich ihre Behauptungen zu den Umständen, aus denen sich die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls ergebe, bestätigt. Außerdem habe das Landgericht schon nicht davon ausgehen dürfen, dass der Kläger unmittelbar vor dem Auslaufen um 17.00 Uhr einen Wetterbericht eingeholt habe. Denn Inhalt eines am Nachmittag eingeholten Wetterberichtes könne nicht - wie nach dem Vorbringen des Klägers der Fall - die Vorhersage für den selben Nachmittag sein. Aber auch unter Zugrundelegung der vom Kläger vorgetragenen Wetterprognose habe der Kläger schon nicht auslaufen dürfen, weil er damit habe rechnen müssen, dass er die Leistungsgrenze seines Bootes überschreiten werde, dass dieses zum "Geigen" kommen und er nicht mehr in der Lage sein würde, das Großsegel einzuholen, die Genua auf Minimalfläche zu reffen und beigedreht unter Motorkraft den herannahenden Sturm abzuwettern. Ein derartiges Abwettern sei ihm angesichts der Größe seiner Segel und auch unter Berücksichtigung einer Selbststeuerungsanlage schon ab einer Windstärke von 7 Bft nicht mehr möglich. Die Auffassung des Landgerichtes, der Kläger habe nur bei vorhergesagtem Sturm nicht auslaufen dürfen, sei daher unzutreffend. Auch die Auffassung, der Kläger habe nicht grob fahrlässig gehandelt, indem er während der Fahrt keine aktuellen Seewettermeldungen einholte, weil die Ostsee nicht der Atlantische Ozean sei und auf der Ostsee im Juli erfahrungsgemäß keine orkanartigen Stürme auftreten, beruhe auf mangelnder Sachkunde und berücksichtige zudem nicht, dass bei Nachtfahrten durch eine Beobachtung des Himmels Wetterveränderungen nicht rechtzeitig erkennbar seien. Vielmehr sei es seemännische Praxis und entspreche seemännischer Sorgfaltspflicht, aktuelle Seewettermeldungen während der Fahrt einzuholen und hierfür ein betriebsbereites Ukw-Funkgerät vorzuhalten. Dies ergebe sich u.a. aus den von dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie - BSH - herausgegebenen Sorgfaltsregeln für Wassersportler betreffend die Sicherheit im See- und Küstenbereich (Anlage des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter vom 1.09.2005 und Anlage G II deren Schriftsatzes vom 2.05.2006). Das Landgericht habe die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch Unterlassen des Reffens bzw. Einholens der Segel auch nicht auf der Grundlage der Behauptung des Klägers verneinen dürfen, er sei von dem Unwetter überrascht worden, weil zu einem früheren Zeitpunkt dazu jedenfalls noch die Möglichkeit bestanden habe und der Kläger entweder die Blitze des herannahenden Gewitters nicht wahrgenommen und/oder die damit verbundene Gefahr nicht erkannt und/oder das notwendige Reffen der Segel aus selbstverschuldeter Kraftlosigkeit und/oder Reaktionsunfähigkeit nicht habe vornehmen können. Denn der Kläger habe auf der Grundlage seines Berichtes über seine Rettung auf See seit dem Frühstück nur ein Knäckebrot gegessen, sei also völlig erschöpft und reaktionsunfähig gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagtenvertreter vom 8.07.2005, 1.09.2005 und 2.05.2006 jeweils nebst Anlagen verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen seines Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Klägervertreter vom 22.08.2005 und 27.09.2005 verwiesen.

Der Senat hat über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien Beweis erhoben durch Einholung eines gerichtlichen Gutachtens des Sachverständigen H... . Auf den Inhalt der Beschlüsse vom 11.10.2005 (Bd. II Bl. 28 ff d.A.) und vom 23.12.2005 (Bd. II Bl. 58 ff d.A.) wird verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 25.02.2006, die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 16.05.2006 (Bd. II Bl. 101 ff d.A.) und die Sitzungsniederschrift vom 9. Juni 2006 über die mündliche Erläuterung seines Gutachtens (Bd. II Bl. 137 ff d.A.) verwiesen, wegen der Stellungnahme der Parteien zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Schriftsätze vom 21.6.2006 und 3.7.2006 (Bd. II Bl. 148 ff. d.A.).

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Beklagte ist aufgrund der zwischen den Parteien abgeschlossenen Sportbootkaskoversicherung verpflichtet, dem Kläger geltend gemachten Schäden in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang zu ersetzen.

Die Leistungspflicht der Beklagten ergibt sich aus der vereinbarten Allgefahren-Deckung gemäß Ziff. 3.1. der AVB Sportboot Kasko 1997, wonach der Versicherer grundsätzlich alle Gefahren trägt, denen die versicherten Sachen während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind. Der Versicherungsfall als solcher ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach Beweisaufnahme zur Höhe in erster Instanz ist auch der Leistungsumfang der Beklagten nicht mehr im Streit.

I.

Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht gemäß § 61 VVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Dabei umfasst das Herbeiführen sowohl positives Tun als auch Unterlassen, wobei die Herbeiführung durch Unterlassen voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zulässt, obwohl er über geeignete Mittel zum Schutz des versicherten Interesses verfügt, deren Einsatz von ihm erwartet werden kann. Außerdem muss er das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt haben, wobei die Kenntnis von Umständen genügt, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH Versicherungsrecht 1986, 962; 1976, 649). Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles ergibt, trägt die Beklagte als Versicherer, für Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Versicherungsfall auch bei nicht grob fahrlässigem Verhalten gleichwohl eingetreten wäre, trägt der Kläger als Versicherungsnehmer die Beweislast.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße verletzt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten muss. Die Außerachtlassung allgemein gültiger Sicherheitsregeln ist dann grob fahrlässig, wenn die Kenntnis der Regeln nach dem Grad ihrer Verbreitung allgemein vorausgesetzt werden muss. Insoweit kommt es vorliegend mangels ausdrücklicher Vereinbarung eines vertraglichen Sicherheitsstandards darauf an, welche Sicherheitsregeln und -standards im Bereich des Segelsports bei dem Befahren des betreffenden See- und Küstenbereiches zu beachten sind. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus der von der Beklagten eingereichten, durch das BSH herausgegebenen Broschüre über die Sicherheit im See- und Küstenbereich. Sicherheitsrichtlinien für die Ausrüstung und Sicherheit von Segelyachten/Meerrumpfbooten gibt auch die Kreuzer-Abteilung des Deutschen Segler-Verbandes e.V. (Anlage G IV des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter vom 2.05.2006) heraus. Dabei kommt für die Sorgfaltspflichten auf See neben den Verhaltenspflichten aufgrund der Verkehrsvorschriften, die im vorliegenden Falle mangels einer Kollision keine Rolle spielen, den seemännischen Sorgfaltspflichten besondere Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um nicht geschriebene Vorsichtsmaßregeln, die sich aufgrund Seemannsbrauchs herausgebildet haben oder wegen besonderer Umstände des Falles erforderlich sind. Das BSH hat auf dieser Grundlage in der vorgenannten Broschüre Vorsichtsmaßregeln für die Führung von Sportfahrzeugen niedergelegt. Die wichtigsten seemännischen Sorgfaltspflichten für Wassersportler sind dort in den 10 Sicherheitsregeln für Wassersportler zusammengefasst (Abschnitt 1.4 Seite 8 f. der Broschüre).

Die nicht geschriebenen seemännischen Sorgfaltspflichten stellen damit auch einen geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage dar, ob und inwieweit der Kläger objektiv Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen und damit ein Verhalten an den Tag gelegt hat, von dem er wußte oder zumindest wissen mußte, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern.

Darüber hinaus muss das Verhalten des Klägers auch subjektiv unentschuldbar sein; auch insoweit ist ein erheblich gesteigertes Verschulden erforderlich (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 61 Rn 12 ff).

Da die Beklagte jedenfalls in der Berufungsinstanz den Ausschlusstatbestand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls auf der Grundlage des Berichtes des Klägers über seine Rettung auf See geltend macht und sich den dort dargestellten Kausalverlauf insoweit zu eigen macht, ist entscheidend, ob der Kläger unter Zugrundelegung des dortigen Geschehensablaufes den Mastbruch grob fahrlässig herbeigeführt hat, weil dieser auch ursächlich für die weiteren am Schiff aufgetretenen Schäden und die im Zusammenhang mit der Bergung und Lagerung des Schiffes auf einer Werft entstandenen Kosten war. Insoweit kommt es darauf an, ob der Kläger den Kausalverlauf nicht hätte in Gang setzen, also den Hafen von Swinemünde am Abend des 10. Juli 2002 schon nicht hätte verlassen dürfen. Des Weiteren kommt es darauf an, ob es grob fahrlässig war, an der östlichen Küste Rügens vorbeizusegeln anstatt die Häfen Greifswalde Oie oder Saßnitz anzulaufen. Schließlich stellt sich die Frage nach einem den Schaden vermeidenden Alternativverhalten in der Zeit vor dem Herannahen des Sturmes bzw. Orkans durch Reffen bzw. Einholen der Segel und in der Zeit nach dem Vorüberzug des Orkans, wie nunmehr von der Beklagten erstmals in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme im Schriftsatz vom 3. Juli 2006 angesprochen (Weitersegeln anstelle des Lösens der Schoten).

Eine entsprechende kausale, grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles lässt sich jedoch auch nach Einholung des Sachverständigengutachtens über die gegensätzlichen Behauptungen der Parteien, wie im Einzelnen in dem Beweisbeschluss vom 11.10.2005 aufgeführt, im Ergebnis nicht feststellen.

1. Entgegen dem angefochtenen Urteil kann Maßstab für die Sorgfaltspflicht bei dem Auslaufen allerdings nicht sein, ob mit Windverhältnissen zu rechnen war, die die Möglichkeit des Kenterns des Bootes greifbar nahelegen. Denn die Yacht des Klägers ist nicht gekentert und sie kann - wie der Sachverständige erläutert hat - als Kielyacht aufgrund ihres Ballastgewichtes im Kiel grundsätzlich auch nicht kentern, es sei denn, der Bootsrumpf füllt sich mit Wasser. Selbst wenn die Yacht also von einer Böe um 90 Grad gekrängt auf das Wasser gedrückt wird oder in einem Sturm kieloben gedreht wird, richtet sie sich aufgrund des Ballastes im Kiel immer wieder auf.

Da allerdings auch eine seegängige Kielyacht der hier vorliegenden Größe jedenfalls bei orkanartigen Stürmen zum Spielball der Kräfte der Natur werden und in Seenot geraten kann - so kann, wie vom Sachverständigen ebenfalls erläutert, die Gefahr eines Durchbrechens des Mastes durch den Schiffsrumpf bestehen -, darf auch mit einer solchen Yacht nicht bei jedem zu erwartenden Wind und Wetter der Hafen verlassen werden. Vielmehr sind aktuelle Wetterinformationen vor dem Auslaufen einzuholen und auf deren Grundlage eine Einschätzung der Wetterentwicklung auf der vorgesehenen Route vorzunehmen.

a) Nach dem Inhalt der vom Kläger eingeholten Wettervorhersage (für den Nachmittag Windstärken von 5 - 6 Bft aus West-Nord-West und ab Mitternacht von 6 - 7 Bft aus derselben Richtung) bestand aus Vorsichtsgründen kein Anlass, von der vorgesehenen Fahrt nach Ystad/Schweden schon von vornherein Abstand zu nehmen. Nach den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen H... bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens, denen sich der Senat nach eigener Prüfung und Würdigung anschließt, reichte es für die vom Kläger geplante Route aus, sich über die vorhergesagte Windstärke und Windrichtungen in dem zu befahrenden Bereich zu informieren, weil er nach Verlassen des Küstenbereiches von Rügen nur noch eine Strecke von ca. 40 Sm vor sich hatte und bereits am nächsten Morgen Ystad erreicht hätte. Die Leistungsgrenze der Yacht des Klägers war bei derartigen Windverhältnissen nicht überschritten. Das gleiche gilt für die weiteren Behauptungen und diesbezüglichen Fragen der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Juni 2006 zu Ziff. 1 zur Leistungsfähigkeit des Schiffes und dem Überschreiten der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit. Denn dem Kläger war, wie vom Sachverständigen überzeugend erläutert, auch als Einhandsegler ein Segeleinholen und -reffen bis 7 Bft. möglich. Für das Vorsegel konnte er die Rollreffanlage benutzen. Das Überschreiten der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit stellt bei einer Kielyacht keine zusätzliche Gefahr dar, die im Zusammenhang mit den Handlungsmöglichkeiten des Seglers bei Auftreten eines Orkans steht. Das Ausmaß der Krängung des Bootes kann nicht auf ein Überschreiten der Rumpfgeschwindigkeit oder generell auf zu schnelles Fahren zurückgeführt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf Seiten 2, 3 u. 6 des Sitzungsprotokolls vom 9. Juni 2006 verwiesen.

b) Auch wenn sich der der polnischen Sprache nicht mächtige Kläger nicht hätte damit begnügen dürfen, dem Hafenaushang von Swinemünde die Vorhersage der Windstärke und Windrichtungen zu entnehmen - auf die zusätzlichen Informationen des Stegnachbarn durfte er sich jedenfalls nicht stützen, weil diese unstreitig zwei Tage alt und damit nutzlos und veraltet waren -, er sich demgemäß umfangreichere Informationen über die zu erwartende Wetterlage hätte beschaffen müssen, wäre das Auslaufen nicht grob fahrlässig gewesen. Denn die Beklagte hat ihre auf das Gutachten F... gestützte Behauptung, der Kläger habe aus den beiden Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes Hamburg vom 10. Juli 2002 von 5.37 Uhr MESZ und 17.30 Uhr MESZ (Anlagen 3 u. 4 des Gutachtens F... ) erkennen können, dass in der südlichen Ostsee ein räumlich kleiner Wirbel erwartet werde und unerwartete Turbulenzen hereinbrechen könnten, nicht bewiesen. Die Fähigkeit zu einer derartigen Deutung der Großwetterlage gehört nach dem Ergebnis des Gutachtens nicht zu den Mindestkompetenzen eines Freizeitseglers, der die Ostseeküste von der deutschen Küste in Richtung Schweden überqueren will. Es ist zwar richtig, dass zu der Seglerausbildung auch die Vermittlung meteorologischer Grundkenntnisse gehört, und dass insbesondere von einem Segler, der die Ostsee überqueren will, erwartet werden kann, dass er die hierfür erforderlichen Kenntnisse besitzt, unabhängig davon, dass mit Ausnahme des Befahrens von Binnen- und Seeschifffahrtsstraßen das Führen einer amtlichen Fahrerlaubnis nicht vorgeschrieben ist und es sich mit Ausnahme der hierfür erforderlichen Sportbootführerscheine bei den Sportküsten-, Sportsee- und Sporthochseeschifferscheinen zwar um amtliche, aber freiwillige d. h. lediglich empfohlene Führerscheine handelt. Der Sachverständige hat zu der Behauptung der Beklagten zudem ergänzend und überzeugend ausgeführt, dass für derartige Deutungen der Großwetterlage die amtlichen Seewetterberichte deutlich genauer und zuverlässiger sein müssten als sie dies häufig, insbesondere bei unbeständiger Wetterlage, tatsächlich sind.

c) Der Senat folgt auch der widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen, dass der Kläger unter Berücksichtigung der angekündigten Gewitterböen in den Wettervorhersagen und in der Warnung von 8.30 Uhr (Anlage 5 des Gutachtens F... ) aufgrund der hier vorliegenden Größe und Eigenart der Yacht von seinem Vorhaben, als Einhandsegler nach Ystad zu segeln, nicht Abstand nehmen musste. Der Sachverständige hat hierzu bei der Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt, dass man bei einem derart seegängigen Schiff, wie vom Kläger geführt, auch bei vorhergesagten Gewitterböen den Hafen verlassen kann, wenn man auf der Fahrt bestimmte Vorsichtsmaßregeln einhält. Diese hätten hier darin bestanden, die Segelfläche bei dem Übergang in die Dunkelheit zu verkleinern, weil nach Einbruch der Dunkelheit ein Heranziehen eines Gewitters, Sturms oder Orkans anhand der Wellenbildung und durch Beobachtung des Himmels nur noch eingeschränkt erkennbar ist. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass bei Zugrundelegung des Seewetterberichtes von 17.30 Uhr MESZ die Wetterlage zudem so eingeschätzt werden konnte, dass das Tief aus dem Raum Berlin in Richtung Nord-Nord-West und damit westlich des Kurses des Klägers vorbeiziehen würde. Denn dort heißt es zur Wetterlage: Tief 1008 Raum Berlin, vertiefend, Nord-Nord-West verlagernd, nachts 1003 Kattegat.

d) Auch wenn man der Einschätzung des Sachverständigen nicht folgen würde, wonach der Kläger auch bei Kenntnis der Warnung von 8.30 Uhr hätte auslaufen dürfen, könnte ein grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalls nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger trotz dieser Warnung den Hafen verlassen hat. Denn zu dem Mindestmaß seemännischer Sorgfaltspflichten - immer unter dem Blickwinkel der groben Fahrlässigkeit - gehörte es nicht, zusätzlich zu dem Abhören des aktuellen Seewetterberichtes vor dem Auslaufen noch zusätzlich weitere Böenwarnungen einzuholen. Denn die als Anlagen 3 u. 4 des Gutachtens F... vorliegenden Seewetterberichte des Wetterdienstes Hamburg enthalten Angaben sowohl über die allgemeine Wetterlage und deren Entwicklung als auch Vorhersagen für die nächsten 12 bzw. 18 Stunden sowie die zeitlich weiterreichenden Aussichten, jeweils eingeteilt in die Gebiete westliche Ostsee, südliche Ostsee und Boddengewässer-Ost, ferner Stationsmeldungen von fünf Wetterstationen. Diese Angaben sind wesentlich detaillierter und zeitlich weitreichender als eine Böenwarnung. Es kommt hinzu, dass der Kläger am späten Nachmittag um 17.00 Uhr ausgelaufen ist und die Warnung um 8.30 herausgegeben wurde. Bei einem Auslaufen um 17.00 Uhr kann aber nicht erwartet werden, dass schon morgens um 8.30 Uhr Böenwarnungen abgehört werden. Es ist vielmehr gerade - wie auch von der Beklagten geltend gemacht - erforderlich, dass vor dem Auslaufen aktuelle Informationen eingeholt werden.

2. Der Kläger hat den Versicherungsfall auch nicht deshalb grob fahrlässig herbeigeführt, weil er es unterlassen hat, die Häfen Greifswalder Oie oder Saßnitz anzulaufen, sondern seine Fahrt entlang der östlichen Küsten Rügens fortsetzte.

a) Der Kläger passierte die Höhe des Hafens Greifswalde Oie auf der Grundlage des gerichtlichen Gutachtens und des Gutachtens F... in dem Zeitraum zwischen ca. 19.40 Uhr und ca. 20.00 Uhr. Hätte der Kläger in diesem Zeitraum einen aktuellen Seewetterbericht eingeholt, so hätte er keine anderen Informationen erhalten als diejenigen aus dem Seewetterbericht von 17.30 Uhr. Auf dieser Grundlage hätte für den Kläger aus den vorstehenden Gründen zu 1b) kein Anlass bestanden, die Fahrt abzubrechen. Eine hierfür Anlass gebende tatsächliche Wetterverschlechterung war zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorherrschenden tatsächlichen Wetterverhältnisse noch nicht erkennbar, vielmehr waren die Bedingungen zu diesem Zeitpunkt ideal für den vorgesehenen Kurs nach Ystad, da der Wind derart von steuerbord achtern (schräg rechts hinten) kam, dass der Kläger annähernd einen sogenannten Vorm-Wind-Kurs fahren konnte.

b) Das Anlaufen des Hafens von Saßnitz, dessen Höhe der Kläger um ca. 22.00 Uhr passierte, wäre kein geeignetes Mittel gewesen, den Schaden zu vermeiden, auch wenn der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Böenwarnung von 21.17 MESZ gehört hätte. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen H... ergibt, betrug die Entfernung von der ungefähren Havarieposition des Klägers um 23.00 Uhr zum Hafen von Saßnitz auf der Route des Klägers ca. 15 Sm. Diese Entfernung war zwar ausweislich der Anlage des Gutachtens H... um 22.00 Uhr, als sich der Kläger auf der Höhe des Hafens von Sassnitz befand, noch um einige Seemeilen geringer. Sowohl bei den zunächst vorherrschenden Südostwinden als auch erst recht bei den späteren West-Süd-West-Winden hätte der Kläger jedoch aufgrund des erforderlichen Kreuzens ungefähr die doppelte Strecke zurücklegen müssen. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger den Hafen noch rechtzeitig erreicht hätte. Ohnehin hat der Sachverständige überzeugend erläutert, dass das Anlaufen des Hafens bei einem Sturm oder Orkan zu gefährlich gewesen wäre und ein Ablaufen bei West-Süd-West vor dem Wind unter Großsegel in Richtung Rönne/Bornholm sicherer gewesen wäre.

3. Schließlich hat der Kläger auch nicht durch falsches seglerisches Verhalten vor dem Herannahen des Sturms bzw. Orkans und nach dessen Abflauen den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.

a) Das Abhören der Seewetterberichte des Deutschen Wetterdienstes Hamburg vom 10.07.2002 gemäß Anlagen 3 und 4 des Gutachtens F... - entgegen den obigen Ausführungen zu 1) a) - vorausgesetzt, wäre bei Einbruch der Dunkelheit die Verkleinerung der Segelfläche durch ein leichtes Rollreffen der Genua angezeigt gewesen, wie vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten Seite 2 und bei dessen mündlicher Erläuterung ausgeführt, weil in der Dunkelheit die Erkennbarkeit eines herannahenden Unwetters anhand der Wolken- und Wellenbildung eingeschränkt ist. Dass sich nach Einschätzung des Sachverständigen rund 90 % der Segler nicht derart vorsichtig verhalten würden, kann zwar kein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Verneinung der groben Fahrlässigkeit sein, da es auch übliche Verhaltensweisen geben kann, die gleichwohl gegen das Mindestmaß der erforderlichen Sorgfalt verstoßen. Ein insoweit etwaig zu bejahendes grob fahrlässiges Verhalten wäre aber nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen. Das Nichtreffen der Genua hat den Schaden nicht ausgelöst. Denn der Mastbruch ist auf der Grundlage des Berichtes des Klägers nicht infolge des Drucks des orkanartigen Sturms auf die Segel eingetreten, sondern erst nach vielen Stunden am Morgen des folgenden Tages. Er wurde dadurch verursacht - wie nun auch die Beklagte in ihrer Stellungnahme zur Beweisaufnahme vorträgt -, dass der Kläger die Großschot des Großsegels löste, nachdem der Sturm etwas nachgelassen hatte. Dies hatte nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zur Folge, dass über Stunden hinweg der Großbaum gegen die Oberwanten schlug, wodurch eine Hebelwirkung auf die Mastspitze eintrat und diese schließlich infolge Materialermüdung abbrach.

b) Abgesehen von der mangelnden Kausalität des Stehenlassens der Segel hinsichtlich des Mastbruchs und seiner Folgeschäden hat der Sachverständige in seinem Gutachten im Einzelnen ausgeführt, dass das von der Beklagten auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen F... beschriebene Abwettern zwar in der Vergangenheit für mittelgroße Handelsschiffe eine übliche Maßnahme war, um steuerfähig auf Position zu bleiben, für Segelyachten die Maßnahme jedoch weder möglich noch geeignet sei, eine Yacht vielmehr mit dem Sturm und Seegang abläuft (Gutachten Seite 5 f).

c) Auch das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 08.06.2006 vorgetragene Beidrehen wäre kein geeignetes Mittel gewesen, um den Schaden zu vermeiden. Der Sachverständige hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass dieses Manöver bei Windstärken, wie sie hier vorherrschten, ungeeignet ist, der Winddruck das Segel vielmehr sofort zerreißen würde.

d) War der Kläger aus Sicherheitsgründen gehalten, beim Übergang in die Dunkelheit die Segelfläche zu verkleinern, wie unter a) unterstellt und ausgeführt, so kommt es nicht mehr darauf an, ob er zur Einhaltung des Mindestmaßes seemännischer Sorgfaltspflicht gehalten gewesen wäre, im Laufe der Fahrt einen aktuellen Seewetterbericht einzuholen, ob er hierfür seine Yacht mit einer funktionierenden Ukw-Funkanlage hätte ausstatten müssen und ob er entgegen seiner Behauptung anhand der Entwicklung der Wind- und Seeverhältnisse das heranziehende Unwetter doch rechtzeitig erkannte und gleichwohl unter vollen Segeln weitersegelte, oder ob er das Unwetter rechtzeitig hätte erkennen können und müssen, jedoch unachtsam war.

II.

Soweit die Beklagte nunmehr ergänzend geltend macht, der Kläger habe dadurch gegen seine Rettungspflicht gemäß § 62 VVG verstoßen, dass er die Großschot gelöst und hierdurch den Mastbruch mit den weiteren Folgeschäden ausgelöst habe, führt dies nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 62 VVG. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei dem Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Hat er diese Obliegenheit verletzt, so ist der Versicherer zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit nicht geringer gewesen wäre. Aus dieser Vorschrift ergibt sich damit eine Rettungsobliegenheit des Versicherungsnehmers, die in der Sachversicherung auch schon vor dem Eintritt des Versicherungsfalls beginnen kann, nämlich dann, wenn der Versicherungsfall unmittelbar droht (BGH VersR 1991, 16; 1994,1181). Die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Verletzung der Rettungsobliegenheit liegt bei der Beklagten; der Kläger müßte sich hinsichtlich des fehlenden Verschuldens und des abweichenden Kausalverlaufes entlasten.

Der Senat hat den Sachverständigen bei der Erläuterung des Gutachtens bereits auf der Grundlage der Schilderung des Kausalverlaufs in dem Bericht des Klägers Rettung auf See befragt, ob das Lösen der Schoten richtig gewesen sei. Dies hat der Sachverständige bejaht und die Gründe hierfür nachvollziehbar erläutert. Soweit die Beklagte nunmehr geltend macht, bei Kenntnis des wahren Wetterverlaufs - Nachlassen der Windstärke auf 6 - 8 Bft nach Vorüberzug der Front - sei dies anders zu beurteilen, ist dem nicht nachzugehen. Denn zum einen ergibt sich bereits aus dem meteorologischen Gutachten Anlage K 3, dass der Wind aus West-Süd-West nach 24.00 Uhr auf 6 Bft abnahm. Diese Wetterverhältnisse in der Anlage K 3 waren Grundlage des gerichtlichen Gutachtens. Das Gericht hatte dem Sachverständigen auch nicht aufgegeben, in jedem Falle ein meteorologisches Gutachten einzuholen, sondern ihm dieses anheimgestellt, wenn er dies für seine sachverständige Beurteilung für erforderlich halten sollte. Es war nicht seine Aufgabe, zunächst von sich aus die Richtigkeit des meteorologischen Gutachtens Anlage K 3 in Frage zu stellen und durch eine Einholung eines weiteren Gutachtens insoweit zu überprüfen. Auf die Behauptung der Beklagten, die Zuggeschwindigkeit der Front habe binnen ca. 10 Minuten über einen geographischen Punkt geführt, schon nach ca. 10 Minuten habe der Wind auf 6 - 8 Bft abgenommen, kommt es ebenfalls nicht an. Denn der Kläger hat nach seinem Bericht die Schoten gelöst, als nach seinem Empfinden der Wind etwas nachgelassen hatte.

III.

Die Beklagte kann ein dem Anspruch des Klägers entgegenstehendes, schuldhaftes Verhalten des Klägers gemäß §§ 61, 62 VVG schließlich auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Kläger seine physische und psychische Leistungsfähigkeit bewusst überschritten habe, indem er sich als Einhandsegler auf den vorgesehenen ca. 13-stündigen Segeltörn aufmachte und nach seinem Bericht seit dem Morgen des 10. Juli 2002 nichts mehr gegessen hatte, am Abend lediglich ein Knäckebrot und während der Fahrt wegen des starken Seeganges die Selbststeuerungsanlage ausgeklinkt hatte, also die Pinne die ganze Zeit selbst bediente. Der Sachverständige hat einen Zusammenhang zwischen der behaupteten Reduzierung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit aufgrund der vorgenannten Umstände verneint und ausgeführt, dass es richtig sei, vor Antritt einer Fahrt auf See relativ wenig zu essen, um einer Seekrankheit vorzubeugen. Auch eine Überanstrengung durch die Steuerung des Bootes hat er verneint. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.06.2006 Seite 7 f Bezug genommen. Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat. Ein Erschöpfungszustand des Klägers infolge mangelnder Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit sowie Überanstrengung ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Klägers Rettung auf See. Denn auch wenn er nach dem Vorüberzug des stärksten Unwetters, das nach seiner Schilderung 50 Minuten andauerte und das er als Orkan empfand, erschöpft war, beruhte dies auf den außergewöhnlichen äußeren Umständen und läßt keinen Schluss darauf zu, dass dieser Erschöpfungszustand durch unzureichende Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit selbst verschuldet war. Schließlich hat der etwaige Erschöpfungszustand auch nicht zu einer subjektiv unentschuldbaren Handlungsweise geführt, die das Verdikt der groben Fahrlässigkeit verdient hätte, indem der Kläger die Schoten löste anstatt weiterzusegeln, wie die Beklagte nunmehr geltend macht. Insoweit kann unterstellt werden, dass das Unwetter objektiv nur mit Windstärken von 11 Bft. einherging und nur 10 Minuten andauerte. Denn dem Kläger erschien es in der beschriebenen Situation, in der er die Windstärke auch nach dem Nachlassen des Windes noch als außerordentlich stark empfand, subjektiv richtig, die Schoten zu lösen, um die Krängung des Schiffes zu verringern. Damit wollte er gerade den Schadenseintritt verhindern und seiner Rettungspflicht nachkommen.

IV.

Der Senat war aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen H... nebst ergänzender schriftlicher Stellungnahme und aufgrund der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der Lage, sich ein sachkundiges Urteil über die Mindestanforderungen zu bilden, die aufgrund der Gegebenheiten des vorliegenden Falles an den Kläger zu stellen und ursächlich für den eingetretenen Schaden waren. Das Gericht hat sich mit dem Sachverständigen H... eines Sachverständigen bedient, der - wie von der Beklagten im Schriftsatz vom 21.11.2005 Seite 2 (Bd. II Bl. 43 d.A.) gefordert - im Untersuchungsgremium der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung eine Funktion als Sachverständiger/Beisitzer ausübt, um eine sachkundige und unabhängige Beurteilung des Sachverhaltes auf der Grundlage der Kenntnis der seemännischen Sorgfaltspflichten zu gewährleisten. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, ist er für diese Stelle (vgl. § 12 des Seesicherheitsuntersuchungsgesetzes - SUG - vom 16.6.2002, BGBl.I 2002, 1815) als Sachverständiger in der Havarieermittlung, speziell für die Sportboot-Schiffahrt, tätig. Ca. 18 Jahre lang war er ehrenamtlicher Beisitzer am Seeamt Hamburg (vgl. §§ 5,9 des bis zum Inkrafttreten des SUG geltenden Gesetzes über die Untersuchung von Seeunfällen - SeeUG -, BGBl.I 1985, 2146 und §§ 24 bis 26 SUG). Der Sachverständige war zudem 26 Jahre lang Erster Vorsitzender eines Segelvereins in Hamburg und ist seit ca. 4 Jahren Landespräsident des Hamburger Seglerverbandes. Daneben verfügt er über eine ca. 50jährige Segelerfahrung in der Ostsee. Seine Vereinsfunktion im Hamburger Seglerverband, die der Beklagten vor der Beauftragung bekannt war und aus ihrer damaligen Sicht zudem gewährleistet, dass der Sachverständige auch sachkundig über die Regeln der Sportschifffahrt zu urteilen vermag, bringt es ohne weiteres mit sich, dass der Sachverständige bereits in Auseinandersetzungen mit Sportbootversicherern involviert war, wie von ihm bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens geschildert. Die Funktionärstätigkeit des Sachverständigen und sein Eintreten für bestimmte Positionen im Interesse des Segelsports sind daher auch keine Umstände, die die Besorgnis der Parteilichkeit des Sachverständigen begründen könnten, sondern neben seiner gutachterlichen Tätigkeit für die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, der früheren Beisitzerfunktion im Seeamt und seinen eigenen praktischen Erfahrungen als Segler gerade Grundlage seiner Eignung als gerichtlicher Sachverständiger. Denn dem Senat und auch den Parteien ging es gerade darum, eine sachverständige Einschätzung zu erhalten, die sowohl auf eigener praktischer Segelerfahrung als auch auf das bei dem Sachverständigen vorhandene, auf seinen verschiedenen Funktionen beruhende Fachwissen gestützt ist.

Der Verwertbarkeit des Gutachtens steht nicht entgegen, dass der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten die von dem BSH herausgegebenen Sorgfaltsregeln und andere Regelwerke, wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 2.05.2006 im Einzelnen angeführt und in Kopie eingereicht, nicht ausdrücklich dargestellt hat. Denn der Maßstab, an dem das Verhalten des Klägers zu messen ist, war dem Sachverständigen im Beweisbeschluss des Senats vorgegeben. Dort hat der Senat für den Sachverständigen unter Ziff. II dargestellt, dass grobe Fahrlässigkeit im vorliegenden Falle die Unterschreitung des Mindestmaßes seemännischer Sorgfaltspflichten bedeutet. Daran hat der Sachverständige sein Gutachten orientiert und differenzierend hierzu Stellung genommen, indem er ausgeführt hat, dass im Rahmen der seemännischen Sorgfaltspflichten an einen Touren- und Fahrtensegler nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können wie an einen Berufsseemann (S. 4 des Gutachtens), was ohne weiteres einleuchtend ist und auch vom Senat für richtig gehalten wird. Der Sachverständige hat die von dem BSH herausgegebenen Sorgfaltsregeln bei der Erläuterung seines Gutachtens auch nicht etwa verworfen, sondern auch insoweit differenzierend dargestellt, dass die für Wassersportler herausgegebenen Regeln des BSH, die auf der Grundlage der für die Berufsschifffahrt geltenden seemännischen Sorgfaltspflichten erstellt wurden, woran er selbst beteiligt gewesen sei, Ausrüstungs- und Verhaltensempfehlungen, aber keine strikten Handlungsanleitungen darstellen. Auch dies ist nicht zu beanstanden, da es für die hier zu beantwortenden Fragen um die Sorgfaltspflicht zum Schutz des eigenen Gutes im Rahmen der Ausübung des Segelsports geht und nicht etwa um Sachschäden aufgrund einer Kollision oder um Personenschäden. Aus seinen weiteren Ausführungen, dass in der Praxis nicht immer alle Regeln eingehalten werden könnten, spricht nach Auffassung des Senats die nachvollziehbare Sicht eines Praktikers, der gerade die theoretischen Anforderungen auf der Grundlage der von der Beklagten angeführten Regelwerke kennt und berücksichtigt. Dass der Sachverständige seine ablehnende Auffassung zu der Empfehlung defensiver Segelweise deutlich zum Ausdruck brachte, spricht daher ebenfalls weder gegen die Verwertbarkeit seines Gutachtens noch gegen seine Geeignetheit und Unparteilichkeit.

Einer Beeidigung des Sachverständigen gemäß § 410 ZPO bedurfte es nicht. Der Senat hat den Sachverständigen eingangs der Erläuterung seines Gutachtens ausführlich über seine Pflichten als Sachverständiger belehrt. Der Senat hat aus den vorstehenden Gründen keinen Zweifel daran, dass der Sachverständige sein Gutachten dementsprechend unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet hat. Der Senat hat daher sein Ermessen dahin ausgeübt, den Sachverständigen unbeeidigt zu lassen, weil eine Beeidigung keine bessere Erkenntnismöglichkeit erwarten ließ.

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO ersichtlich nicht vorliegen.

Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 17. Juli 2006 war nicht mehr zu berücksichtigen, da die Frist zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme am 3. Juli 2006 endete.

KG Berlin 6 U 43/05

Autor Axel Kujawa
am 10.08.2011

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